Jeden Morgen

eden Morgen
um 05 Uhr 20 ist Tagwache.
Wenn ich Glück habe
durch den Wecker,
wenn ich Pech habe,
bin ich schon auf,
dann heisst der Wecker Julia.
Aufgrund des Angelman-Syndroms
fehlt ihr das Schlafhormon.
Sie kommt mit extrem wenig Schlaf aus.
Und extrem wenig,
heisst extrem wenig.
Das auch noch?
Denkst Du?

Ja, das auch noch.
Nicht zu schlafen ist Folter.
Wir Angel-Eltern wissen,
wovon wir sprechen.
Haben jahrelange Erfahrung,
also die meisten von uns.
Unvorstellbar,
ich weiss.
Das auch noch.
Es braucht viel Zeit,
bis sie bereit ist am Morgen.
Unvorstellbar viel Zeit.
Jeden Tag.
Der Bruder schläft fast
zwei Stunden länger,
einfach zum Vergleich,
wie es sonst wäre.
Julia braucht für alles Hilfe.
Jeder meiner Handgriffe sitzt.
Jede Minute ist abgezählt.
Jede Bewegung eingeplant.
Jede Eventualität eingerechnet.
Alles ist immer genau gleich.
Das hilft.
ihr und letztendlich
auch mir.
Sodass wir fertig werden,
mit waschen,
wickeln,
anziehen,
Treppe runtergehen,
Haare machen,
Essen und Medikamente geben,
Toilettentraining,
Hände waschen,
Zähneputzen,
Schuhe anziehen,
bis das Taxi da ist
und sie in die Schule bringt.
Und dann kommt er
eben doch noch,
der unvorhersehbare Moment.
Julia macht sich schwer,
liegt am Boden.
Kichert.
Macht sich lang.
Und will nicht aufstehen.
Und ich versuche sie zu locken.
Raschle mit Plastik.
Staune ins Ipad.
Betrachte Fotos,
die sie so liebt.
Und sie?
Liegt da und will nicht aufstehen.
Konsequenzen?
Ihr doch egal.
Also eigentlich nicht einmal das,
weil die sieht sie ja gar nicht.
Und ich gebe auf.
Gehe nach vorne.
Denn alleine hochheben,
wenn sie nicht will,
mein Rücken tanzt schon Tango,
wenn ich nur daran denke.
Und deshalb,
lasse ich sie liegen.
Und in der Küche entdecke ich
ein wenig entnervt,
eine Knisterfolie,
die ich zerdrücke,
Feld für Feld.
Und dann höre ich sie,
wie sie sich aufrappelt
und ich ihr dann
noch das letzte Stück hochhelfe.
Und dann muss ich
trotzdem schmunzeln,
dass ich es geschafft habe.
Einmal mehr.
Sie ist bereit für die Schule.
Ufff.

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