Mitten drin und nicht nur dabei

Julia kann aufgrund ihres Gendefekts,
dem Angelman-Syndrom
unter anderem kein Wort reden.
Sie ist geistig nicht fähig zu nicken
oder den Kopf zu schütteln.
Das erschwert den Alltag mit ihr zusätzlich,
denn wir müssen immer irgendwie erahnen,
was sie möchte,
was ihr weh macht,
was sie denkt.

Sie versteht zwar vieles was wir sagen,
kann es aber nicht gezielt umsetzen,
lässt sich ganz leicht ablenken
und wenn sie nicht will,
dann geht gar nichts.
Seit sie klein ist,
noch bevor wir eine Diagnose hatten,
habe ich diverse Kurse in unterstützter Kommunikation besucht,
habe viel gelesen über Alternativen zur Lautsprache,
habe mich mit der Firma Active Communication zusammengesetzt,
welche Hilfsmittel anbietet für Menschen,
die lautsprachlich nicht kommunizieren können.
Von Anfang an
haben wir für diesen Weg gekämpft,
denn Julia kann aufgrund ihrer geistigen Behinderung auch keine Gesten oder Handzeichen nachmachen.
Wir wollten Julia aber unbedingt eine Chance geben, sich auszudrücken,
da wir sahen,
dass sie auf Fotos und Bilder reagiert.
Mit der Zeit hat sie mit dem Finger auf Bilder gezeigt und durch stetiges Lernen und Wiederholen von Alltagssituationen zu Hause, in der Schule und während den Therapieeinheiten,
kann sie heute dank ihrem Kommunikationsgerät,
welches wir bis vor Bundesgericht erstritten haben,
selbstbestimmt ihren Znüni oder Zvieri wählen,
kann nach einzelnen Personen fragen
und kann dank einem "Foto-Tagebuch",
welches wir für sie besprechen,
von der Schule bzw von zu Hause "erzählen".
Klar, es ist meilenweit davon entfernt,
wie es sein könnte.
Sie kann weniger Wörter zeigen,
als ein kleines Kind, welches zu sprechen beginnt.
Sie gibt nach wie vor nur den Laut "ä" von sich.
Aber, sie kann ein wenig "mitreden",
was sie essen will
und sie kann anhand Fotos zBsp. bestimmen,
mit wem sie in der Schule arbeiten möchte.
Ein kleiner Schritt für die Welt.
Ein riesiger Schritt für Julia.
Ein Stück wertvolle Selbstbestimmung
in einem sonst so fremdbestimmtem Leben.
Noch so genau weiss ich,
dass wir nie für möglich gehalten haben,
dass sie mal so weit kommt.
Die Begleitung und die tolle Zusammenarbeit mit der Active Communication, den Therapeutinnen, den Lehrpersonen und unserem Umfeld haben uns immer gestärkt und liessen uns diesen Weg weitergehen.
Auch wenn er sehr, sehr viel Geduld und Ausdauer von uns allen fordert.
Aber wir ziehen alle am selben Strick und liessen uns nie entmutigen.
Und die Mühen lohnen sich!
Das sehen wir jeden Tag!
Heute "erzählte" Julia uns nach dem Nachtessen,
mit Hilfe des Talkers von ihrem Tag.
Ich staunte nicht schlecht,
als die Stimme einer Freundin von mir ertönte,
welche Julia zufällig in der Schule getroffen hat!
Wir waren alle ganz berührt,
dass Julia uns von diesem Treffen
"erzählen" konnte.
Danke allen lieben Wegbegleitern,
die es ermöglichen,
dass Julia da ist wo sie ist!
Mitten im Leben.
Mitten unter uns.
Mittendrin
und nicht
nur
dabei.

--------------------------------

Text: Melanie Della Rossa - 12. Mai 2016

www.facebook.com/JuliaderWeg
www.juliadellarossa.ch
Der Weg mit unserem Sturmkind Julia,
geboren mit dem Angelman-Syndrom.

Angelman Verein Schweiz
www.angelman.ch
www.facebook.com/AngelmanVereinSchweiz

Kommentar schreiben

Kommentare: 0